2 Material und Methoden

2.1 Morphologischer Teil

Wegen der schlechten Zugänglichkeit sowohl des fossilen als auch des rezenten Materials beschränkt sich die Datenaufnahme morphologischer Merkmale zum größten Teil auf das Sichten einschlägiger Primär- bzw. Sekundärliteratur. Wenn persönliche Beobachtungen in die Merkmalsbewertung mit einfließen, ist dies an entsprechender Stelle vermerkt. Es folgt eine Zusammenfassung der betrachteten Gattungen bzw. Arten und Artassoziationen, inklusive einer kurzen Beschreibung und einer Auflistung entsprechender Literaturstellen.

2.1.1 Fossile Formen bzw. Assoziationen

Paläozoische Cycadeen bzw. Cycadeenvorläufer

Lesleya Florin: möglicherweise den Cycadeen nahestehende oder zu den Cycadeen zählende Megasporophylle bzw. sterile Blätter mit taeniopterider Lamina aus dem Karbon Europas und Nordamerikas. Ursprünglich von R. Florin als Blattgenus unbekannter Zuordnung beschrieben (Florin, 1933a). Die Kutikula zeigt haplocheile Spaltöffnungen (Remy & Remy, 1975). Hinzu kommt ein Fund im Namur B/C mit nahezu gegenüberstehenden Reihen von möglichen Samenanlagenrezeptakeln (Leary, 1990).

Spermopteris coriacea Cridland, Morris: von A. Cridland und J. Morris aus dem unteren Pennsylvanian von Kansas beschriebene, relativ zahlreiche taeniopteride "Blätter", die z.T. an der Unterseite deutlich sichtbare Samen bzw. Samenanlagen tragen (Cridland & Morris, 1960). Die isolierten sterilen Blätter werden als Taeniopteris coriacea Goeppert bezeichnet (Beschreibung in Sellards, 1908).

Archaeocycas whitei Mamay: unterpermische, bilateral symmetrische Megasporophylle aus dem Südwesten der Vereinigten Staaten (Mamay, 1969, 1973 und 1976). Zuordnung zu den Cycadeen unsicher, da weder Samen noch Kutikula erhalten ist (Pant, 1987).

Phasmatocycas Mamay: Lektotyp P. kansana Mamay von der selben Fundstelle wie Archaeocycas whitei beschrieben (Mamay, 1973), ursprünglich als "nackte", fertile Achse. Genus später erweitert um Funde mit apikaler taeniopterider Lamina (Gillespie & Pfefferkorn, 1986), die assoziierten sterilen Blätter entsprechen denen von Spermopteris, zeigen aber epidermale "Drüsen". Nach der Auffassung von D. Pant ist die Zuordnung dieser Funde zur Gattung P. nicht gerechtfertigt (Pant, 1987).

Crossozamia Pomel: ursprünglich für Blätter aus dem französischen Jura eingeführt. Erweitert und überarbeitet von Zhifeng Gao und B. A. Thomas (Zhifeng & Thomas, 1989) anhand von gut erhaltenen Stücken aus dem unteren Perm von China, umfaßt diese Gattung alle solche Megasporophylle, die eine ± gut ausgebildete, fächerförmige oder palmartig zerschlitzte Lamina zeigen, ähnlich der rezenter Cycadaceae. Bei einem Fund der Art C. minor sitzt das (sitzen die) Megasporophyll(e) an einer zentralen Achse an ð offener E Strobilus. Dies steht im Gegensatz zu den rezenten Vertretern der Gattung Cycas, bei denen ein E Strobilus fehlt. Der Lektotyp ist C. chinensis (syn. Primocycas chinensis Zhu, Du). Aufgrund von exklusiver Assoziation an verschiedenen Fundorten vermuten Zhifeng und Thomas in den Blattspezies Yuania chinensis Zhifeng, Thomas und Tianbaolinia circinalis Zhifeng, Thomas die dazugehörenden ausgewachsenen bzw. juvenilen Trophophylle.

Triassische Cycadeen

Glandulataenia Pant: taeniopteride Blätter mit charakteristischen, über das Blatt verteilten "Drüsen" aus der Trias Indiens (Pant, 1990). Sie repräsentieren ein mögliches triassisches Gegenstück zu Phasmatocycas, obwohl der Autor selbst diese Verbindung kategorisch ablehnt (Pant, 1987). Fertile, Samenanlagen tragende Funde sind nicht bekannt.

Leptocycas gracilis Delevoryas, Hope: relativ gut erhaltene Stammfragmente aus der Obertrias von North Carolina. Ein Fund zeigt einen von Kataphyllen besetzten Stamm-apex mit ansitzendem Blatt, das dem Blattypus Pseudoctenis entspricht, ein weiterer einen an einem langen Stiel herabhängendem männlichen Strobilus, dessen Feinstruktur allerdings kaum erhalten ist (Delevoryas & Hope, 1971).

Charmorgia Ash: Stammquerschnitt aus der Obertrias des 'Petrified Forest National Monument', Arizona (mittleres Karn bis unteres Nor). In der selben Schicht finden sich Blätter der Art Aricycas paulae Ash (Ash, 1985, 1991).

Bjuvia simplex Florin: taeniopteride Blätter mit dazu gestellten Cycas-ähnlichen Megasporophyllen (Palaeocycas integer) aus dem Rhät von Schweden (Florin, 1933b; Harris, 1961). Die Zuordnung zu einer Pflanze rechtfertigt R. Florin aufgrund räumlicher Assoziation und kutikulärer Übereinstimmung.

Jurassische und kretazische Cycadeen

Androstrobus prisma + Pseudoctenis lanei: männlicher Strobilus mit auf der Unterseite der Sporophylle gut erhaltenen Pollenkörnern aus dem Lias von Yorkshire (Thomas & Harris, 1960; Harris, 1961). P. lanei ist ein häufiges Blattfossil dieser Fundstellen und zeigt als einzige Art eine korrespondierende epidermale Struktur. Dazu gehört möglicherweise eine nicht näher beschriebene neue Gattung von Makrosporophyllen (Hill, 1990).

"BAN-Komplexe": von T. Harris aufgrund von Übereinstimmung kutikulärer Merkmale assoziierte männliche und weibliche Strobili, Trophophylle und Kataphylle aus dem Lias von Yorkshire (Harris, 1941/46, 1942, 1943 & 1961; Zimmermann, 1959; Thomas & Harris, 1960). Die weiblichen Strobili laufen unter dem Gattungsnamen Beania Carruthers, die männlichen gehören zur Gattung Androstrobus Schimper. Die Trophophylle fallen unter das Formgenus Nilsonia Brongniart und die Kataphylle werden von T.M. Harris als Deltolepis spp. beschrieben. Harris unterscheidet zwischen B. gracilis (mit A. manis, N. compta, D. crepidota) und B. mamayi (mit A. wonnacottii, N. tenuinervis, D. nov. sp.).

Nilssoniocladus Kimura, Sekido: zu den Cycadeen gehörende Kurz- und Langtriebe aus der ausgehenden Unterkreide der nördlichen Hemisphäre, so z.B. aus dem Alb/Cenoman von Nordalaska und dem Nordosten Rußlands (Spicer & Herman, 1996) bzw. der mittleren Kreide von Honshu, Japan (Kimura & Sekido, 1975). Die selten ansitzenden, immer gefiederten Blätter gehören zur Formgattung Nilsonia. Bemerkenswert ist die polnahe Verbreitung der Arten auf Paläolatituden von über 70°n.Br. und Hinweise auf saisonalen Laubwurf (vgl. dazu Wolfe & Upchurch, 1987; Boyd, 1994). In diesen Kontext fällt möglicherweise auch Nilsonia schaumburgensis (Ôishi, 1939/40; Takimoto et al., 1997; V. Wilde, pers. Komm.).

Microzamia Reuss: weibliche Strobili aus dem Santon/Campan Grönlands (Boyd, 1992) und dem Cenoman der böhmischen Kreide. Lektotyp: M. gibba (Reuss) Corda (Kvacek, 1995, 1997), als Beblätterung kommt nach J. Kvacek nur Jirusia jirusii Bayer in Frage.

2.1.2 Rezente Cycadeen

Indoaustralische Gattungen

Zu dieser Gruppe zählen Macrozamia, Lepidozamia, Bowenia und Cycas, wobei die ersten drei auf den australischen Kontinent beschränkt sind, während die Gattung Cycas im gesamten indopazifischen Raum bis nach Madadaskar und das gegenüberliegende afrikanische Festland verbreitet ist (Goode, 1989; Jones, 1993; Norstog & Nicholls, 1997; Hill & Stevenson, 1998). Diese weite Verbreitung läßt sich zum einen möglicherweise auf anthropogene Verschleppung zurückführen, zum anderen sind die Samen der in Küstennähe wachsenden Arten häufig schwimmfähig und resistent auch gegen längeren Einfluß von Meerwasser. Lepidozamia und Bowenia findet man rezent nur noch in zwei disjunkt liegenden Arealen im Nordosten Australiens, während sich das Verbreitungsgebiet von Macrozamia von der tropischen Nordküste bis in die mediterranen Gebiete Süd- und Südwestaustraliens erstreckt.Eine Art, M. macdonellii, findet man sogar in der Halbwüste Zentralaustraliens.

Afrikanische Gattungen

Der Verbreitungsschwerpunkt der morphologisch, genotypisch und ökologisch sehr unterschiedlichen Gattungen Encephalartos (weit über 50 Arten) und Stangeria (monotypisch) liegt in den Savannen Südafrikas, reicht aber für einige Encephalartos-Arten bis zur Sahelzone (Goode, 1989; Jones, 1993; Norstog & Nicholls, 1997; Hill & Stevenson, 1998). Das Wüstengebiet der Sahara und die Vulkane und Bergketten im Bereich des Ostafrikanischen Grabenbruchs stellen nach Norden und Osten natürliche Grenzen dar, die eine weitere Ausbreitung behindern bzw. behinderten. Funde aus dem Eozän Europas deuten allerdings ein ursprüngliches Verbreitungsgebiet bis nach Mitteleuropa an (Barthel, 1976; Pant, 1987).

Neuweltcycadeen

Unterschieden wird hier, je nach Verbreitungsgebiet, zwischen den mexikanischen (Ceratozamia, Dioon, Zamia), mittelamerikanischen (Ceratozamia, Zamia), karibischen (Microcycas, Zamia) und südamerikanischen Arten (Chigua, Zamia). Bis auf Zamia sind die Gattungen artenarm und die einzelnen Arten häufig geographisch sehr stark eingegrenzt. Dramatisches Beispiel ist hier die monotypische Gattung Microcycas. Sie existiert in "freier Wildbahn" nur noch in einer Kolonie mit ausschließlich männlichen Individuen im Westen Kubas. Der Status von Zamia als eine Gattung wird durch neuere Untersuchungen immer stärker angefochten. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Gattung Chigua und deren Stellung zu verschiedenen Gruppen innerhalb der Gattung Zamia. (Goode, 1989; Jones, 1993; Norstog & Nicholls, 1997; Hill & Stevenson, 1998)

2.2 Molekularbiologischer Teil

2.2.1 Material

Grundlage der molekularbiologischen Analyse ist ein Teilstück der 26S ribosomalen DNA (26S-rDNA) folgender, exemplarisch ausgewählter Arten:

Klasse, Ordnung Name Quelle AN/selbstAN:'genbank accession number', selbst: selbstsequenziert
AngiospermaeLycopersicon esculentum NCBI GenbankAN: X13557
GnetopsidaGnetum gnemonNCBI GenbankAN: AF036488
Ephedra distachyaNCBI GenbankAN: AF036489
ConiferalesAraucaria angustifoliaNCBI GenbankAN: U90691
Pinus nigraNCBI GenbankAN: U90680
Sequoia sempervirensNCBI GenbankAN: U90701
Taxus baccataNCBI GenbankAN: U90695
GinkgoalesGinkgo bilobaNCBI GenbankAN: U90672
CycadalesCeratozamia mexicana Bot. GartenBotanischer Garten der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen, Deutschland selbst
Cycas revolutaNCBI GenbankAN: U90673
Cycas rumphiiNCBI GenbankAN: U90674
Cycas taiwanensisBot. Gartenselbst
Dioon eduleNCBI GenbankAN: U90676
Dioon spinulosumBot. Gartenselbst
Encephalartos altensteiniiBot. Gartenselbst
Encephalartos laevifoliusNCBI GenbankAN: U90679
Encephalartos lebomboensisNCBI GenbankAN: U90678
Encephalartos natalensis TropicariumPalmengarten, Frankfurt, Deutschland selbst
Lepidozamia peroffskyanaTropicariumselbst
Macrozamia communisTropicariumselbst
Macrozamia spiralisTropicariumselbst
Microcycas calocomaTropicariumselbst
Stangeria eriopusNCBI GenbankAN: U90675
Zamia furfuraceaNCBI GenbankAN: U90677
Zamia pumilaBot. Gartenselbst

2.2.2 Arbeitsmethodik

Die genomische DNA wurde entsprechend des standardisierten CTAB-Isolationsprotokolls extrahiert (modifiziert nach Saghai-Maroof et al., 1984). Hierbei wird etwa 1g Blattmaterial mittels flüssigem Stickstoff gemörsert und mit 300ml CTAB-Isolierungspuffer aufgenommen und 1h bei 37°C inkubiert. Die DNA wird durch Behandlung mit einem 24:1 Gemisch aus Chloroform und Isoamylalkohol von anderen Zellsubstanzen getrennt und mit 100%igem Ethanol und Natriumacetat gefällt.

Die Amplifizierung der gesuchten Teilsequenz 26S-rDNA - korrespondierend mit den Regionen D1, C1 und D2 des Mus musculus Gen bzw. den ersten 750 Basenpaaren der 26S-rDNA von Lycopersicon esculentum - erfolgte mittels automatisierter 'polymerase chain reaction' (PCR). Als Primer-Paar kamen der Forward-Primer 2618 und der Reverse-Primer R1 zur Anwendung (= StefanoviC et al., 1998). Polymerisiert wurde mit Vent-Polymerase, die Annealingtemperatur betrug 57°C und die Denaturierung erfolgte bei 95°C. Die PCR-Maschine war auf 34 Zyklen programmiert.

Um Abweichungen bei der Sequenzierung einer Art zu minimieren und zum besseren Handling der amplifizierten DNA, wurde das PCR-Produkt mittels Ligation in die Polylinker-Region eines pUC18-Vektors eingebaut. Dieser wurde schließlich mittels Elektroporation in kompetente Zellen eines speziellen Escherichia coli Stamms (DH5a) eingeschleust. Die Plasmide der positiven Klone wurden zur Sequenzierung isoliert, gereinigt und mit Standardprimern aus der Polylinker-Region z.T. von einem professionellen LaborToplab, München, z.T. auch von mir selbst am ALF des Instituts für Allgemeine Genetik der Universität Tübingen sequenziert.

Das Alignment der bis zu fast 700 bp langen DNA-Stücke ließ sich manuell am PC durchführen. Die Benutzung einer entsprechenden Alignmentsoftware war aufgrund zahlreicher Übereinstimmungen in den Basensequenzen nicht nötig.

2.3 Auswertung der Daten

Zur Analyse der Datenmatrizen kam überwiegend die PAUP® 4.0 Betaversion für Windows® PCs von D. Swoffort zur Anwendung. Die jeweils besten Bäume wurden je nach Anzahl der zu untersuchenden Taxa mit dem in PAUP® implementierten Branch-and-Bound Algorithmus (vgl. Forey et al., 1992: S.66 ff) oder durch wiederholte heuristische Suche bei aktivierter MULPARS-Option und ACCTRAN-Optimierung berechnet (Swoffort, 1991). Äste wurden nur dann angenommen, wenn ihre maximale Länge ³ 1 war (COLLAPSE-Option = MAXBRLEN). Neue Bäume wurden durch die TBR-Methode konstruiert (s. Forey et al., 1992: S.68 ff) und basieren auf dem Prinzip der 'outgroup comparison' (vgl. Forey et al., 1992: S.23 ff). Bei den morphologischen Daten wurden Taxa mit mehreren Merkmalsausprägungen als Polymorphismen, bei den molekularen Daten als Unsicherheiten gewertet.